Nachdem ich erst einmal so lange wie möglich ausgeschlafen hatte um zumindest einen Teil des im Studium verpassten Schlafes nachzuholen und dem Versuch, für eine Weile nicht an den Abschlussvortrag zu denken (was mir nicht wirklich gelungen ist), schreibe in nun, wie bereits versprochen, wie es mit dem Abschlussvortrag gelaufen ist. Bereits die Reise nach Marburg entpuppte sich als eine Herausforderung, da ich nicht mit all den Emotionen, die auf mich zustürmten, gerechnet hatte. Dabei waren es nicht die Gedanken an den bevorstehenden Vortrag, die mich etwas überwältigt zurück ließen. Viel schlimmer empfand ich die Erinnerung an das feucht-kalte Klima; den im Winter meterhoch liegenden Schnee und die Eiseskälte, welche durch die Kleider kroch; die winzigen, dunklen, kalten Studentenzimmer, um nicht zu sagen Löcher; die hügelige Stadt, welche das Fahrradfahren unmöglich machte; und nicht zu Letzt die einsamen Stunden und die Sehnsucht nach meiner Familie in Berlin, welche am schwersten zu ertragen war.
Scherzhaft, aber nicht minder ernst meinte ich zu meinem Begleiter, dass ich, wenn es mir in einer zukünftigen Lebenssituation schlecht gehen sollte, müsste ich nur nach Marburg fahren, um mich daran zu erinnern, wie schwer die Zeit, das Studium und das Leben in dieser Stadt waren und ich alle Probleme dennoch, trotz aller Widrigkeiten bewältigt habe. Und tatsächlich habe ich, seitdem ich Marburg verlassen und den Großteil des Studiums absolviert habe, bis jetzt nie das Gefühl gehabt, vor einem unlösbaren Problem gestanden zu haben. Eine der Fertigkeiten, die mich mein Studium in Marburg gelehrt hat, ist der Umgang mit extremst stressigen Situationen und diese (später souverän) zu bewältigen.
Am Tag des Abschlussvortrags war ich wie erwartet sehr nervös, jedoch habe ich versucht, mich an die Worte meines externen Betreuers zu halten, welche er mir bereits zu Beginn meiner Arbeit auf dem Weg gegeben hatte: Es ist nicht nur wichtig, das eigene Thema und die eigene Methodik perfekt zu verstehen, sondern sich ein fundiertes Wissen über das übergeordnete und benachbarte Themengebiet anzueignen, sodass der/die Doktorand/-in am Ende mehr über das Thema weiß als der/die eigentliche Doktorvater/-mutter. Deswegen habe ich versucht, mir vor Augen zu führen, dass in diesem Seminarraum ich die Expertin für die von mir vorgestellte Methodik war. Es hat auch sehr gut funktioniert, nur habe ich das zweite -für die Masterarbeit zunächst untergeordnete- Thema unterschätzt und vernachlässigt. Ich konnte eine Frage bezüglich dieses Themas nicht mit annähernd bestimmter Sicherheit beantworten, was mich später bis in meine Träume verfolgte… An diesem Punkt muss daher wohl noch arbeiten.
Ich wünschte, ich hätte diesen Eintrag zum Thema öffentliches Reden vor dem Abschlussvortrag gekannt. Er erzählt von der Möglichkeit, die Nervosität vor/bei einer Rede unter Kontrolle zu halten, indem der/die Redner/-in ein alter Ego erschafft, das der Vortragsperson die Möglichkeit gibt, Abstand zu seinem nervösen Selbst zu bekommen und den Mut zu finden, souverän auf einer Bühne aufzutreten. Denn es spielt keine Rolle, wie gut das Layout deiner Präsentation und deiner Ergebnisse sein mag, wenn du dich nicht selbstbewusst verkaufen kannst, erscheint der Rest deiner Arbeit auch nur halb so gut wie sie es wirklich ist. Es bleibt natürlich die Frage offen, ob mir der Artikel so einfach geholfen hätte, aber ausprobiert hätte ich es schon gerne… ein weiterer Punkt auf meiner Liste der Must-Have Skills, die ich bald im Griff haben möchte. Vielleicht sollte ich den Debattierclub an der RWTH Aachen und/oder Coaching-Kurse ernsthaft in Betracht ziehen!
Aber zunächst einmal heißt es goodbye Jack, goodbye Marburg! Es gibt wenige Sachen, die ich an Marburg vermissen werde, dazu gehört mein Lieblingsrestaurant das Curry Haus und die Nudel-Lachs-Pfanne im Paprica in der Oberstadt.
Da ich mich in letzter Zeit viel mit dem Gedanken an außeruniversitäre Karrieremöglichkeiten auseinander gesetzt habe, werde ich den nächsten Blogeintrag wahrscheinlich diesem Thema widmen.